Offener Brief
An die Abgeordneten des Deutschen Bundestages

19. Februar 2024

Aus Verantwortung für die Menschen – CanG jetzt unterstützen

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

als Expertinnen, Experten und Fachverbände, die unmittelbar mit dem Thema Cannabis befasst sind, bitten wir Sie darum, diese Woche im Parlament für das Cannabisgesetz zu stimmen, um den wichtigen Schritt in Richtung Gesundheitsschutz, Prävention und sozialer Gerechtigkeit zu machen.

Mindestens vier Millionen Menschen in Deutschland konsumieren gelegentlich oder regelmäßig Cannabis. Sie alle sind permanent von Strafverfolgung bedroht. In den letzten Jahren waren es jeweils rund 175.000 Personen, gegen die wegen Cannabisbesitz zum Eigengebrauch ein Verfahren eröffnet wurde. Sie alle werden zukünftig nicht mehr per Gesetz stigmatisiert, wenn das CanG in Kraft tritt.

Zentrale Gremien der Vereinten Nationen (INCB, UNGASS, CEB) bekräftigen seit Jahren die Möglichkeit der Staaten, Drogengebrauch/-besitz im Rahmen der Verträge zu entkriminalisieren. Zuletzt hat der UN-Hochkommissar für Menschenrechte die Notwendigkeit einer grundlegenden Umkehr weg von Strafen ausgesprochen und empfiehlt überdies die Regulierung des Handels.

Diese neue Ausrichtung internationaler Organisationen erklärt sich nicht nur aus der steigenden Evidenz zu den negativen Auswirkungen und damit dem Scheitern des Drogenverbots, sondern auch durch zunehmende praktische Erfahrungen einiger Mitgliedsländer.

Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass eine moderate Cannabis- Neuregulierung zu mehr Gesundheit und verbesserten Hilfen führt.

Erfahrungen aus anderen Ländern deuten darauf hin, dass eine ausgewogene Teil-Legalisierung (wie im CanG vorgesehen) keine Erhöhung des Konsums zur Folge haben wird, insbesondere nicht in besonders zu schützenden Gruppen wie Jugendlichen. Zudem zeigen aktuelle Studien, dass cannabis-bezogene Gesundheitsschäden in Ländern mit Legalisierung geringer sind als in Ländern mit Cannabisverbot.

Auch die teilweise geäußerten Befürchtungen, dass das CanG zu einer Stärkung des profitorientierten Schwarzmarktes führen könnte, sind nicht haltbar und ohne Bezug zur kriminologischen Drogenmarktforschung. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass es aufgrund privaten Eigenanbaus und Anbauvereinigungen zu einer nennenswerten Reduktion kommen wird.

Durch Strafandrohung ist niemandem geholfen – sie kriminalisiert Minderjährige ebenso wie Erwachsene. Die aktuelle Stigmatisierung verschärft oftmals noch psychische Problematiken und hält davon ab, sich Hilfe zu suchen. Das CanG wird die Arbeit der Drogenhilfe stärken sowie Jugendliche und Eltern künftig ermutigen, professionelle Unterstützung früher anzunehmen.

Als Expertinnen und Experten für Drogen- und Suchtpolitik und professionell mit Drogenkonsumierenden Arbeitende, appellieren wir an Sie, das jahrzehntelange Unrecht, Menschen für den Umgang mit einer Substanz zu kriminalisieren, zu beenden.

Wir stehen Ihnen weiterhin zur Seite, um den Prozess zu einer zielführenden, zeitgemäßen Drogenpolitik zu unterstützen, etwa im Hinblick auf die wichtige, bevorstehende Säule 2 des CanG. Zunächst ist es aber essenziell, die lange vorbereitete Säule 1 endlich zu verabschieden. Wir möchten Sie daher bitten, für das Gesetz zu stimmen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. em. Dr. jur. Lorenz Böllinger, Dipl.-Psych. Professor für Strafrecht und Kriminologie Fakultät Jura, Universität Bremen
Psychologischer Psychotherapeut/Psychoanalytiker

Philine Edbauer Regionalwissenschaftlerin Humboldt-Universität zu Berlin

Jakob Eichler
Philosoph
Humboldt-Universität zu Berlin

Univ.-Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi
Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht
Direktor des Trierer Instituts für Geldwäsche- und Korruptionsstrafrecht (TrIGeKo) FB V – Rechtswissenschaft
Universität Trier

Prof. Dr. Johannes Feest
Professor (i.R.) für Strafverfolgung, Strafrecht, Strafvollzug Universität Bremen

PD Dr. Robert Feustel
Institut für Soziologie
Friedrich-Schiller-Universität Jena

Prof. Dr. Christoph Gille
Professur für Soziale Arbeit in Kontexten von Armut und Ausgrenzung Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften
Hochschule Düsseldorf

Prof. Dr. Rita Hansjürgens
Professur für Handlungstheorien und Methoden Sozialer Arbeit und Allgemeiner Pädagogik
Alice-Salomon-Hochschule Berlin
Vorstand DG-SAS Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit in der Suchthilfe e.V.
Prof. Dr. Justus Haucap
Direktor Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Luise Klaus
Doktorandin
Institut für Humangeographie Goethe-Universität Frankfurt

Prof. Dr. Boris Michel
Professor für Digitale Geographie
Institut für Geowissenschaften und Geographie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne
Wissenschaftlicher Leiter des Kölner Instituts für Konfliktforschung Rechtsanwalt für Strafrecht in Bremen

Dirk Schäffer
Leitender Referent für Drogen und Strafvollzug Deutsche Aidshilfe e.V.

Prof. Dr. jur Stephan Quensel
Professor für Resozialisation und Rehabilitation im Studiengang Soziologie Universität Bremen

Claudia Schieren
Vorsitzende JES Bundesverband e.V.

Prof. Dr. Henning Schmidt-Semisch
Professor am Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften
Institut für Public Health und Pflegeforschung, Abt. Gesundheit & Gesellschaft Universität Bremen

Rüdiger Schmolke MA Pol./MPH
Fachbereich Sozial- und Bildungswissenschaften Fachhochschule Potsdam

Dr. med. Hermann Schulte-Sasse
Ehem. Senator für Gesundheit in Bremen
Dr. iur. Sebastian Sobota Rechtsanwalt Habilitand
Johannes Gutenberg-Universität

Prof. Dr. Anke Stallwitz Professorin für Sozialpsychologie Fachbereich Soziale Arbeit Evangelische Hochschule Freiburg

Dr. Fabian Pitter Steinmetz
Toxikologe
Vorstand Schildower Kreis e.V.

Prof. Dr. Heino Stöver
Professor für für sozialwissenschaftliche Suchtforschung Frankfurt University of Applied Sciences
Vorsitzender Akzept e.V.

Prof. Dr. Rebekka Streck
Professur für Sozialpädagogik Studiengangsleitung BA Soziale Arbeit Evangelische Hochschule Berlin

Prof. Dr. Ursula Unterkofler
Professur für Methoden der empirischen Sozialforschung und Evaluation Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
Hochschule München

Prof. Dr. med. Birgit Völlm PhD MRCPsych DiplForPsych Professorin für Forensiche Psychiatrie, Klinikdirektorin Universitätsmedizin Rostock

Dr. Clivia von Dewitz
Richterin am Amtsgericht Bad Segeberg

Prof. Dr. Jan Wehrheim
Professor für Soziologie
Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik Universität Duisburg-Essen
Dr. Bernd Werse
Leiter des Centre for Drug Research Fachbereich Erziehungswissenschaften Goethe-Universität Frankfurt a.M. Vorsitzender Schildower Kreis e.V.

Hubert Wimber
Polizeipräsident Münster a.D. Vorsitzender LEAP Deutschland e.V.

Prof. Dr. Till Zimmermann
Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Dr. Martin Zinkler
Chefarzt
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gesundheit Nord gGmbH – Klinikverbund Bremen Standort Klinikum Bremen-Ost

19. Februar 2024