In einem landkreisübergreifenden „Offenen Brief“ an den Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach und die Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition haben die Landkreise Weilheim-Schongau, Garmisch-Partenkirchen und Landsberg am Lech einen politischen Aufruf zur Krankenhaussituation gestartet.

Offener Brief an das

Bundesministerium für Gesundheit

Herrn Prof. Karl Lauterbach

und die Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition

 

Finanzieller Kollaps der Kliniken, Gefährdung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung

 

Sehr geehrter Herr Minister Prof. Lauterbach, sehr geehrte Bundestagsabgeordnete der Regierungskoalition,

anlässlich der sich rasant zuspitzenden Finanz- und Liquiditätsprobleme der Kliniken in den Gesundheitsregionen Garmisch-Partenkirchen, Weilheim und Schongau sowie Landsberg am Lech erlauben wir uns, Sie auf eine fatale Fehlentwicklung in der aktuellen Gesundheitspolitik hinzuweisen.

In den vorgenannten Gesundheitsregionen sind insgesamt viele zum Teil hochspezialisierte Kliniken – davon drei große kommunale Kliniken - situiert, die partiell auch weit überregionale Versorgungsaufträge erfüllen. In dem genannten Gebiet leben 352.000 Bürgerinnen und Bürger, in der überregionalen Bedeutung verschiedener Fachrichtungen kann von einem Radius von über 100 km ausgegangen werden.

Aktuell steuern sämtliche Kliniken in den genannten Regionen auf finanzielle Engpässe zu, die sich dann für die Kliniken zu existenzgefährdenden Situationen weiterentwickeln. Unmittelbare Verursacher dieser Entwicklung sind Kostensteigerungen, die sich allein aus einer Inflationsentwicklung, Steigerungen in den Tariflöhnen und Steigerungen in den Energiekosten ergeben.

Im krassen Gegensatz hierzu steht die Entwicklung des jeweiligen Landesbasisfallwertes. In diesem sind die stark kostensteigernden Effekte o.g. Faktoren keineswegs berücksichtigt, vielmehr führt ein niedriger Landesbasisfallwert allein aus den Jahren 2022 und 2023 zu einer Ergebnislücke von ca. 5% bis 8%. Das heißt, dass unsere Kliniken nur aufgrund äußerer und nicht von den Kliniken verantwortbarer Faktoren mindestens ein durchgängiges Defizit in dieser Höhe einfahren und dieses durch die Tarifsteigerung in 2024 noch zunehmen wird. Die Unterfinanzierung führt dann letztendlich zur Aufgabe von medizinischen Fachabteilungen oder ganzer Klinikstandorte, final wird auf diese Weise die ländliche Notfallversorgung von Grund auf gefährdet oder gar eliminiert. Es geht uns darum, Notfälle adäquat und zeitnah versorgen zu können, es geht darum kranke Bürger zumindest in der Region versorgen zu können, es geht auch darum, dass werdende Mütter ihre Kinder ebenfalls in der Region zur Welt bringen können. Im Falle der sich derzeit abzeichnenden massiven Probleme kann eine menschwürdige und wohnortnahe Versorgung nicht mehr aufrechterhalten werden, es drohen Fahrtstrecken von bis zu 100 km. Diese Standortkonzentrationen sind in ihrer Auswirkung nicht nur zynisch, allein die Auswirkungen auf den Rettungsdienst sind in dieser Rechnung nicht implementiert. Kurzum – es geht um Menschenleben! Genau damit befinden wir uns neben einer wirtschaftlichen Diskussion weit mehr in einer moralischen.
Als konkrete Maßnahmen zur Abwendung einer für unsere Bürger und deren Gesundheit schädlichen

Entwicklung reicht es nicht aus, bestehende Ansprüche vorzeitig auszuzahlen. Dies ist keine echte

Hilfe, da die Leistungen, die zu diesen Ansprüchen geführt haben, bereits erfolgt sind.

Generell muss die allgemeine und tarifliche Kostenentwicklung in der klinischen Entlohnungssituation ihren Niederschlag finden. Aktuelle erzeugt das ministerielle Vorgehen den Eindruck, dass ein wie auch immer gearteter Strukturwandel der Klinik-Landschaft in unserem Land auf „kaltem Wege“ erreicht werden soll: Die laufende Unterdeckung der wirtschaftlichen Ergebnisrechnungen der Kliniken führt zum Wegfall einzelner Häuser. Mit dem Wegfall ergibt sich analog eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung.

Weiterhin trägt das hochumstrittene Transparenzgesetzes nicht zur nachhaltigen Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation der Kliniken in Deutschland bei. Wenn hier die Anerkennung des Gesetzes durch die Bundesländer erfolgt, weil wirtschaftlicher Ausgleich für die Kliniken erst im Anschluss daran in Aussicht gestellt wird, stellt dieses Vorgehen einen politischen Handel dar. Politisches Handeln sollte aber an moralischen Grundwerten orientiert sein. Wenn effektiv die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger als Verhandlungsmasse missbraucht wird, ist das politische Handeln aus moralischer Hinsicht mehr als fragwürdig.

Wir bitten Sie daher um folgende unmittelbare Maßnahmen:

  • Bekennen Sie sich zu einer flächendeckenden und wohnortnahen Gesundheitsversorgung
  • Stellen Sie das wirtschaftliche Überleben der Kliniken sicher. Bedenken Sie hier, dass vor allem die Kliniken in ländlichen Regionen andere Voraussetzungen vorfinden als Häuser in Metropolen und großräumigen Ballungszentren.
  • Akzeptieren Sie die Bundesratsinitiative der Länder vom 24.11.2023 und geben Ihre ablehnende Haltung zu einer nachhaltigen Krankenhausfinanzierung auf.
  • Sorgen Sie kurzfristig für einen Ausgleich der inflations- und tarifbedingten Kosten

Gerne bieten wir Ihnen ein Gespräch mit Kliniken und Verantwortlichen aus den genannten Gesundheitsregionen an. Ein derartiges Informationsgespräch würde sicherlich dazu beitragen, eventuelle Informationsdefizite bzw. die Besonderheiten einer regionalen Gesundheitsversorgung zu beheben.

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung und deren Dringlichkeit bitten wir Sie dringend, die Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger nicht zu gefährden. Andernfalls entbehrt dem moralischen Postulat, das von der Regierungskoalition ständig erhoben wird, jegliche Grundlage!

Wir bedanken uns schon jetzt für Ihr Verständnis und freuen uns auf eine zeitnahe Reaktion.

Mit freundlichen Grüßen

23. Februar 2024